Visionen

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Zukunft?

Glücklich auf utopielosen Wegen?

Trotz oder dank eindimensionalen Konsumglücks?

Alles ist möglich und nix ist fix.

Dieses scheinbar nichtssagende Bonmot könnte unsere Gesellschaft heute und in nächster Zukunft am besten charakterisieren. Für die, die ihre jeweiligen Potenziale (sofern entsprechend vorhanden) ökonomisch umzusetzen wissen scheint im Vergleich zu situativ ähnlich gelagerten Mitmenschen alles möglich, alles leistbar. Der Preis: unsichere Arbeitsverhältnisse bei gleichzeitig steigender Stressbelastung, vor allem für Sicherheitsliebende; Konsumzwang "Lebenslanges Lernen" nach den Erfordernissen der Märkte; ...

Base-jumper Felix Baumgartner am rechten Arm der Christusstatue in Rio


Lesen Sie dazu Auszüge aus einem Interview mit Philosoph Peter Strasser, geführt von Hubert Patterer und Stefan Winkler.
Titel: "Zukunft? "Ich sehe nichts, keine Idee, keine Utopie".

aus: Kleine Zeitung, 2. 1. 2002, S 10 f

 

Angst war das dominante Lebensgefühl des letzten Jahres. Angst vor BSE, Temelin, Terror. Geschürte und reale Ängste. Werden sie bleiben?

Strasser: Es wird noch schlimmer. Die Welt, in der wir leben, setzt voraus, dass das Wirtschaftswachstum ständig angekurbelt wird. Dadurch erhöht sich der Mobilitätsdruck. Die Menschen werden ein Leben führen, das zwar nach Glück strebt, aber von Angst unterlegt ist. Sicher, es gibt immer Abenteurer. Aber die meisten haben Angst. Schon als Kleinkinder sind die Leute mit der Angst konfrontiert, Versager zu sein. Sie werden ihr ganzes Leben lang Angst haben. Ob sie eine gute Arbeit bekommen. Ob ihre Arbeit von neuen Technologien verdrängt wird. Ob sie ihre Familie erhalten können. Sie müssen immer leistungsbereit sein. Bis ins hohe Alter. Selbst der Sterbende wird Sterbearbeit leisten müssen. Er soll nicht nutzlos vor sich hin sterben.

 

 

reserviert für jene, die dem gebotenen Leistungsdruck der Märkte nicht standhalten:

Namen gibt es für diese Gruppen dank kreativer Parteikader zur Genüge. Sehen Sie nach in ihrem Boulevardblatt !

Nach dem 11. September sprach man vom entsicherten Leben. Hat der Terror die von Ihnen skizzierten Angstphänomene nicht verstärkt?

Strasser: Die Angst, von der ich spreche, hat nichts zu tun mit Managern, die sich vorm Fliegen fürchten. Ich meine die ganz normale Lebensangst: Dass der Tag beginnt und du hast wieder deinen Mann zu stellen. Unsere Gesellschaft hat als Utopie nichts mehr anderes anzubieten als die Vorstellung eines glücklichen Lebens, das man in Frieden zu Ende leben kann. Alle anderen Ideen haben wir in der säkularisierten Welt abgelegt. Die Glücksidee, die wir haben, wird aber durch die ökonomische Beschleunigung konterkariert, die aus den Menschen Ameisen macht.

Sie meinen, Sisyphos muss seinen Stein immer rascher wälzen, bis er von ihm überrollt wird?

Strasser: Die Menschen sind immer weniger selbstbestimmt. Sie glauben, alles möglichst rasch tun zu müssen, um glücklich zu sein. Wenn man dann aber auch noch fürchtet, seiner Umwelt nicht gerecht zu werden, dann wird die Gesamtbilanz des Lebens irgendwie schizophren und irrsinnig. Die entscheidende Frage der Zukunft wird also sein, ob wir die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen schaffen können, um zumindest das Minimalziel, glücklich zu sein, zu erreichen.