Ach, mein freier Raum ...

Im Terminus "Freelancer" steckt eine Utopie, die eine große Notwendigkeit, aber auch ein hohes Täuschungs- und Selbsttäuschungspotenzial enthält; es ist die Utopie der Freiheit, und Freiheit ist ein Begriff, der zwischen bloßem Gefühl, dem Freiheitsgefühl, und der tatsächlichen, objektiven Institutionalisierung von rechtlich garantierter Unabhängigkeit, von Autonomie schwankt. Die Notwendigkeit der Utopie ist klar: Ohne Freiheit und Freiheiten würde nichts möglich sein als die Wiederholung des Status quo, und der wiederholte Status quo fiele automatisch unter sein eigenes Niveau. Das heißt: Ohne innovatives Potenzial verliert ein gegebener Zustand (in unserer Art von Gesellschaft) den guten Grund seines Fortbestands.

Das gilt für das ökonomische, aber auch für das kulturelle System: Die erstarrte Kultur, der man immer wieder - in Burg und Oper, im Verlagsprogramm und im Konzerthaus - begegnet, wird zum Einwand gegen Kultur überhaupt. Und je strenger eine Firma ihren Zusammenhalt pflegt, je mehr sie auf der Einhaltung von Regeln besteht, desto besser ist sie beraten, Freiräume, die bis zur Anarchie gehen können und vielleicht sogar müssen, zu ermöglichen. Die sogenannten Kreativen sind nur darüber zu kontrollieren, dass man sie nicht oder möglichst wenig kontrolliert. Umgekehrt gibt es das berechtigte Bedürfnis der Einzelnen, in einer Ordnung, und sei es als Freelancer, verankert zu sein.

Die Tendenz, nicht zuletzt in den Medienberufen, geht allerdings in Richtung "prekäre" Arbeitsverhältnisse. Das heißt: Die Institutionen, Zeitungen, Rundfunkanstalten haben ein Interesse an den Produkten freiberuflicher Arbeit, aber sie haben wenig Interesse, den Freiberuflichen, vor allem was Lohn und Brot betrifft, den Status der Zugehörigkeit zu gewähren. Dass so etwas ohne Weiteres möglich und selbstverständlich geworden ist, liegt - metaphysisch gesehen - an der Austauschbarkeit aller Individuen in der Schöpfung ("niemand im Betrieb ist unersetzlich!") und - ökonomisch gesehen - simpel daran, dass es mehr Angebote von Arbeitskräften als Stellen gibt.

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Spätestens seit die Krankenkassen im Vorjahr die Anstellungspflicht für Trainer durchgeboxt haben, ist die Motivation am Boden. Viele Kollegen, die vorher freiberuflich tätig waren, verdienen heute netto 1000 Euro weniger im Monat. Das wirke sich eben auch auf die Qualität der Kurse aus, heißt es. Es sei bekannt, dass einige ihren Schützlingen gern den Nachmittag freigeben.
aus: >
AMS-Schulungen: "Was ich hier mache? Zeit absitzen!", Die Presse, 30.4.2011, 18:19h

 

nebenstehender Text aus:

Franz Schuh, > Ach, mein freier Raum
Spectrum, 1. März 2008, S I