Verhindert eine "gerechte"
Einkommensverteilung Wachstum und Beschäftigung?
Textstellen
aus dem > gleichnamigen Beitrag von Ernst Niemeier
in: > Gewerkschaftliche Monatshefte, Ausgabe 8-9/2001
Es ist häufig
das maßlose Gewinnstreben, das durch die bestehende Machtkonstellation
ermöglicht wird. In der Verabsolutierung des Gewinnstrebens
drückt sich zugleich die Umkehrung von Zweck und Mittel
aus. Das marktwirtschaftliche Mittel "Gewinnstreben",
das als Koordinationsinstrument der Wohlfahrt der Menschen dienen
soll, wird zum Selbstzweck erhoben. Dieser Zweck heiligt die
Mittel. Dabei werden nicht nur Arbeitsplätze rigoros abgebaut.
Es werden auch rücksichtslos gesetzliche Bestimmungen und
arbeitsvertragliche Vereinbarungen missachtet. Als Folge stellt
sich bei den Arbeitnehmern eine akute Existenzangst ein: eine
Angst um den Arbeitsplatz, eine Angst vor der Bedrohung auch
der unterhaltenen Familien, eine Angst vor dem Verlust des sozialen
Existenzminimums. Sie wagen es dann nicht einmal mehr, auf die
Einhaltung gesetzlicher Schutzbestimmungen zu pochen; sie wagen
es nicht mehr, auf die Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen
des Arbeitgebers zu bestehen. Ihre Kritik, ihr Missfallen über
das rücksichtslose Verhalten des Arbeitgebers wagen sie
nur hinter vorgehaltener Hand zu äußern. Mit einem
Wort: Sie machen alles mit, was der Arbeitgeber von ihnen verlangt,
wenn nur der Arbeitsplatz erhalten bleibt (oder erhalten zu bleiben
scheint): Sie nehmen sowohl Lohnsenkungen als auch Arbeitszeitverlängerungen
ohne Einkommensausgleich hin, ohne dass dies durch die wirtschaftliche
Lage des Unternehmens zwingend geboten ist. In diesem rücksichtslosen
Verhalten, in diesem kompromisslosen Gewinnstreben drückt
sich die gegenwärtige Machtposition der Unternehmer und
das bedenkenlose Ausspielen dieser Macht durch viele Unternehmer
aus. (S 540) |
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G emeinschaftliches
W irtschaften mit
N achhaltigkeit |
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Der amerikanische
Ökonom Paul Krugman beispielsweise kritisiert es vielleicht
ein wenig überspitzt mit deutlichen Worten und weist zugleich
und mit Recht auf die Interessengebundenheit einer solchen verabsolutierten
Doktrin hin: "Jene absurden und törichten Vorstellungen,
die unter dem Etikett "supply-side economics" (angeobtsorientierte
Wirtschaftspolitik) kursieren, nähme mit Sicherheit kaum
jemand ernst, stünde diese Doktrin nicht den Interessen
der Wohlhabenden so nahe und würde sie von diesen über
die einschlägigen Medien nicht systematisch im Gespräch
gehalten" (Hervorhebung von mir). Krugman nennt damit
vielleicht auch wichtige Gründe, die trotz der Wirklichkeitsblindheit
und trotz gegenteiliger wissenschaftlicher Stimmen diese Doktrin
zur herrschenden Meinung gemacht haben: das Interesse der Unternehmerseite
und den Einfluss der Unternehmer auf die Medien und damit die
Öffentlichkeit. Und so beeinflusst diese Doktrin die öffentliche
Meinung. Sie rechtfertigt alle politischen Maßnahmen, die
der Gewinnsteigerung dienen, weil scheinbar nur so neue Arbeitsplätze
geschaffen werden können. (S 539) |