Schubkraft Eitelkeit
"Ohne die enorme Schubkraft der Eitelkeit und den Drang,
wichtig zu sein und im Vordergrund zu stehen sowie den Applaus
der Medien und des Publikums zu bekommen, wären ein Karajan
und ein Ricardo Muti nie so weit gekommen."
Doch sie differenziert zwischen einer konstruktiven und einer
ruinösen Eitelkeit. Große Führungskräfte,
wie die beiden Musiker, hätten ständig Umgang mit Leuten
gepflegt und gesucht, die sie offen auf Fehler aufmerksam gemacht
haben. Ganz anders verhalten sich Führungskräfte mit
ruinöser Eitelkeit: Sie errichten eine Mauer der Abschirmung
gegen Kritik um sich.
Und Pelzmann hat dazu ein aktuelles Beispiel: "In Österreich
gibt es einen jungen Minister, der von den Medien zum Star gemacht
wurde. Man erzählt sich, dass ihm ein enger Mitarbeiter
eines Tages sagte: 'Jetzt hast du einen Elfmeter verschossen.'
Daraufhin habe er mit ihm lange nicht gesprochen. Wer auch immer
den Jungstar auf einen Fehler aufmerksam machte, hat Probleme
bekommen und ist heute nicht mehr in seiner Nähe."
Ruinöse Eitelkeit erkenne man daran, dass Menschen nie im
Leben gelernt hätten, einen Fehler als Fehler zu erkennen
und etwas dagegen zu unternehmen. Sie wissen alles besser, sehen
Fehler - wenn man sie darauf aufmerksam macht - nie ein, sondern
vertuschen sie.
Pelzmann: "Ein ruinös eitler Mensch widmet alle (finanziellen)
Ressourcen um, um seine eigene Unfehlbarkeit zu verteidigen."
Doch dieses Verhalten zeige sich nicht erst in Machtpositionen,
sondern schon viel früher. Die Professorin erinnert sich
an einen begabten Studenten, der einen Fehler nicht zugeben konnte.
Pelzmann vergleicht die Situation der letzten Jahre mit einem
Piloten, der von seinem Armaturenbrett nur die Schönwettermeldungen
abliest und immer wegschaut, wenn Sturmwarnungen kommen.
Es käme nicht von ungefähr, dass die wachstumsfreundliche
New Economy ein Biotop für die ruinöse Spielart der
Eitelkeit unter Managern wurde, denn Börsianer und Medien
haben nur Schönwetternachrichten erwartet. "Die ruinöse
Eitelkeit ist blind gegenüber Risiko, macht Kritiker mundtot
und schart ausschließlich Menschen um sich, die Beifall
spenden", erklärt die Wirtschaftspsychologin.
Konstruktiv eitel
Die Bilanzskandale seien Eitelkeitsdelikte und Grund dafür,
dass wir schwer aus der Rezession kommen. Im Gegensatz dazu bezahlen
konstruktiv eitle Führungskräfte sogar Mentoren und
Berater dafür, dass sie sie auf Fehler aufmerksam machen
und Alarm schlagen. "Dadurch schützen sich Führungskräfte
gegen die eigene Eitelkeit." ...
entnommen aus:
Der Standard,
Bildung & Karriere, 30./31. 8. 2003, C 16