Erstes Buch - Elftes Kapitel: Ursachen des steigenden Drucks

Wollten nämlich die Adeligen die Vogteien, die sie bisher inne gehabt, ihre Sitze als Räte an den Fürstenhöfen und am Kaiserhof fortbehalten, so mußten sie studieren. Denn die Fürsten fingen teilweise an, die Doktoren, die wissenschaftlich Gebildeten bei der Wahl ihrer Räte vorzuziehen und nur solchen Gehalte zu geben. Und mitten unter dieses Versiegen alter Erwerbsquellen und das Hervorbrechen neuer Bedürfnisse und Ausgaben drang, alles mit sich fortreißend, jene Prachtliebe und Genußsucht herein, wie sie zuvor nie gekannt oder erhört war. Es war ein Taumel, ein böser Geist, der vom Kaiserhof bis herab zum Dienstmann alles im Nu besessen hatte.
Da konnte es nicht anders kommen, als daß man immer weiter und weiter hinabdrückte und erpreßte, nicht mehr um der Hab- und Herrschsucht, nur noch, um dem unmäßigen Aufwand genügen zu können.
Unheilvoll in so mancher Hinsicht, besonders aber auch in Hinsicht seiner Bedrückungen, war für den gemeinen Mann das Aufkommen des römischen Rechtes. Seit dem Ende des 15. Jahrhunderts entschieden Doktoren nach römischem Recht an den fürstlichen Hoflagern und Gerichtshöfen.

...

Ebenso wurden die römischen Paragraphen von Pachtungen bei Streitigkeiten über deutsche Bauerngüter zu Grunde gelegt, und so die Gesetze die auf ganz grundverschiedene Verhältnisse gemacht waren, zur Verkehrung des Rechtes, zur Unterdrückung der Freiheit mißbraucht. So sprachen die Herren bald überall nur von Leibeigentum und Eigenhörigkeit, und bei jedem Streite legten sie die Analogie der Leigeigenschaft zu Grunde. Sie fühlten und betrugen sich als Herren nicht nur auf ihren Gütern, wo sie das, was ihnen früher die Gemeinden nur auf ihr von den zugezogenen Hofschöppen unterstütztes Ansuchen bewilligt hatten, jetzt ohne weiteres für sich forderten, sondern auch auf den Landtagen, wo vorzüglich sie die Gesetze und Entscheidungen über bäuerliche Verhältnisse beraten und abfassen halfen, und mit ihnen die neurömischen Doktoren.

^

=

retour
G emeinschaftliches
W irtschaften mit
N achhaltigkeit
Wilhelm Zimmermann, Der deutsche Bauernkrieg, Graz: "Das Bergland-Buch", bearbeitet von Gottfried Falkner, 1933, S 129 f