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Die Akten habe der Vorgesetzte an höhere Stellen weitergegeben, ohne die persönlichen Angaben zu schwärzen. Ein »Bruch der ärztlichen Schweigepflicht«, so ihr Rechtsanwalt Hermann Winzen, der beim Truppendienstgericht und der Staatsanwaltschaft Augsburg klagte, allerdings ohne Erfolg. Bei der Bundeswehr gelten andere Regeln. »Dies war eine Kontrolle im Rahmen der Dienstaufsicht, etwas ganz Natürliches, was häufig stattfindet«, erklärt der Sprecher der Luftwaffe beim Verteidigungsministerium. Im Übrigen hält man sich bei der Bundeswehr zurück bei »schwebenden disziplinarrechtlichen Verfahren«. Aber, so der Luftwaffensprecher, »Sie können davon ausgehen, dass solche Verfahren nicht wegen leichter Verstöße durchgeführt werden«. Die schriftlichen Anschuldigungen, die dem STERN vorliegen, können dies freilich kaum belegen. In einer 21 Seiten langen »Einleitungsverfügung« haben die Prüfer penibel die Ergebnisse ihrer Recherchen in den Arzträumen festgehalten. Unter anderem rügten sie nicht ausgefüllte Formblätter »zur Erhebung des Impfstatus«, Verstöße »gegen die Dokumentationsptlicht« bei der Überweisung von Patienten, die Lagerung von Medikamenten im »gewöhnlichen Aktenschrank« und angeblich nicht genehmigte Dauermedikamente für Piloten. Ebenso penibel konterte die Ärztin Punkt für Punkt der Vorwürfe: »Sämtliche genehmigungspflichtige Dauermedikationen wurden schriftlich durch das Flugmedizinische Institut der Luftwaffe genehmigt bzw angeordnet«, schrieb sie. Und: »Da kein zusätzlicher Medikamentenschrank vorhanden, normaler, abschließbarer Aktenschrank als Provisorium.« Der bürokratische Kleinkrieg hätte wohl kaum Aufsehen erregt, hätten die höheren Ränge die Entscheidung des Disziplinargerichtes abgewartet. Stattdessen wurde Christine Bauer ins zirka 30 Kilometer entfernte Fürstenfeldbruck zu wissenschaftlichen Institutsarbeiten abkommandiert. Zusätzlich drohte ihre endgültige Versetzung, weg vom Lufttransportgeschwader 61 in Penzing, wo sie sich respektiert und gemocht fühlte und Jahre zuvor sogar eine Beförderung abgelehnt hatte, um bei ihren Fliegern bleiben zu können. Geradezu lächerlich und »ungeheuerlich« sei es, sie als Gefahr für ihre Patienten zu bezeichnen, protestierten die Flieger denn auch in einer Unterschriftenaktion und forderten die Rückkehr der Ärztin, »die uns in aufopfernder Weise betreut hat«. Nach dem Absturz eines Rettungshubschraubers in Mannheim vor viereinhalb Jahren hatte sich Christine Bauer um die Witwen der verunglückten Crew gekümmert und sogar Spenden für sie gesammelt. 145 Soldaten unterschrieben die Protestnote gegen ihre Abkommandierung. Ein ungewöhnlicher Fall von Aufmüpfigkeit in der Bundeswehr. Auch der Vertrauenssprecher in Penzing lehnte die »Doppelbestrafung« der Ärztin ab, solange ihre Schuld nicht geklärt sei. In einem Brief an ihren Kommandeur, drei Monate nach der Durchsuchung, bekannte Christine Bauer, wie sehr ihr Ehrgefühl verletzt sei, wie ungerecht sie diesen »gezielt organisierten Versuch des Rufmords« finde. Doch auch bei den Chefs der Chefs fand sie kein Gehör. »Ich habe das Gefühl, die haben unsere Briefe überhaupt nicht gelesen«. sagt ihr Rechtsanwalt. Sie fuhr zum »Personalgespräch« nach Köln, doch die versammelten Flotillen- und Oberstärzte lehnten ihre Rückkehr in den Fliegerhorst »aufgrund der Vielzahl und der Schwere der Vorwürfe« ab. »Die haben alles kritiklos übernommen«, so der Anwalt. »Es gilt immer noch die Philosophie von Befehl und Gehorsam«, empört sich Uta Fitze-Stecher, »bis hin zum Kadavergehorsam.« In ihrer Bedrängnis hatte sich Christine Bauer schließlich an die SPD-Abgeordnete und an CSU-Generalsekretär Thomas Goppel gewandt. »Ich kann nicht mehr«, sagte sie zu einer Mitarbeiterin der Parlamentarierin. Da zog sich der Nervenkrieg schon über ein halbes Jahr hin. weiter auf der nächsten Seite zurück zu Seite 1 |