Eine von vielen Anleitungen zum Glücklichsein?


Es sind schon viele Artikel über Lebenslust geschrieben worden.
Diesen kann ich Mobbern und von ihnen betroffenen Personen gleichermaßen als Lektüre empfehlen.

Sollten Sie jetzt zu einem: "JA, aber ..." neigen, dann empfehle ich Ihnen zuerst einmal einen anderen Artikel im SN-Schwerpunkt "Harte Zeiten für die Lust":

"Das Frustprinzip als Lustprinzip" (Nachzulesen im Archiv der SN)

Ernsthafte Warnung

Das Wichtigste bei jeder Lust,
Erklären uns die Psychologen,
Ist, dass du Lust ernst nehmen musst,
Sonst ist sie schnell verflogen.

Doch großer Ernst macht jede Lust
Gar nicht mehr richtig lustig.
Erlebst du Lust mit Ernst bewusst,
Wird Lust doch ernsthaft frustig.

Wenn du die Lust verstehen lernst,
Wird dir die Lust nie kommen.
Darum nimm´ deine Lust nicht ernst,
Sonst wird sie dir genommen.

Mehr Zeit für die Lust

Die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts sucht den Spaß.
Dabei stellt sich die Frage,
ob dieser Spaß auch Freude macht?

von GERHARD SCHWISCHEI, Salzburger Nachrichten, 13. Juli 00

 
Wie oft verweilt man drei Sekunden lang, um ganz bewusst einen intensiven Duft, einen herrlichen Wein oder einen guten Freund mit allen Sinnen wahrzunehmen? Drei Sekunden - dieses "Zeitfenster" genügt, damit das Gehirn Sinneseindrücke, Erinnerungen und Gedanken abrufbereit bündeln und speichern kann. Was schneller abläuft, zum Beispiel rasches Zappen durch die Fernsehkanäle, wird zwar vorübergehend wahrgenommen, aber der Kopf bleibt leer.

Doch selbst nur drei Sekunden lang bewusst anzuhalten, sich geistig einzubremsen, um genauer hinzuschauen, intensiver zu riechen und zu schmecken, ist in einer Epoche, die von Jahr zu Jahr, ja sogar von Monat zu Monat die Tourenzahl erhöht, gar nicht so leicht.

Der Rhythmus der Maschinen diktiert den Alltag. Schnell raufbeschleunigen und dann Vollgas. "Wenn ich durch die Welt rase, bekomme ich sie nur oberflächlich mit. Die Tiefe geht verloren", erklärt die Buchautorin und Psychotherapeutin Rotraud Perner. Was aber zu schnell abläuft, schließt den Genuss, die Lust am Tun aus.


Eine Chance für die
"Drei-Sekunden-Insel"

"Geben Sie der Drei-Sekunden-Insel des Augenblicks in Ihrem Leben immer wieder eine Chance", empfehlen Friederun Pleterski und Renate Habinger in ihrem Buch "Vom natürlichen Umgang mit der Zeit". Rückblickend sei Glück für viele Menschen eine Summe glücklicher Momente, doch habe diese Summe nichts mit der beschleunigten Anhäufung, der Quantität von immer mehr Glückerlebnissen zu tun. Auf die Qualität komme es letztlich an.

Wenn Perners Patienten nach einer erfolgreichen Therapie plötzlich davon schwärmen "Ich wusste gar nicht, wie toll es ist, die Luft zu riechen", dann weiß sie, dass Frust, Unlust, Depression und Unzufriedenheit mit dem Leben häufig auch mit dieser Oberflächlichkeit zu tun haben, die die hastige Kurbelei im Hamsterrad bedingt.

Der Geist verkümmert dabei. Was sich wiederum, meint Perner, die Werbeindustrie zunutze mache, indem sie die Sehnsucht nach einem lustvolleren Leben mit Ersatzbefriedigungen stille. Stichwort Kauf- und Konsumrausch.


". . . wie meine Transmitter
quantitativ Salti schlagen"

Roman Braun vom Austrian Institute for NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren), der in seinen Seminaren viele führende Manager schult, berichtet in diesem Zusammenhang von für ihn typischen Urlaubserlebnissen: "Während eines dreiwöchigen Urlaubs in Kalifornien besuchte ich auch das Disneyland. Ich ging davon aus, dass die Menschen dort Spaß und Freude haben. Während einer großen Parade mit Feuerwerk und allem, was dort sonst noch dazugehört, schaute ich mir bewusst die Zuschauer an. Sie wirkten alle geschlaucht, erschöpft vom Trubel." Von Lust scheinbar wenig Spur. Ein anderes Mal auf Bali: "Die Urlauber bewegten sich dort wie Strafgefangene. Wenn sie Spaß hatten, dann nur mit Hilfe von Alkohol." Die Droge als Nische, in die man aus einem wenig lustvollen Leben flüchtet.

"Im Spaß erlebe ich nur, wie meine Transmitter quantitativ Salti schlagen", betont Perner und meint damit die hormonellen Purzelbäume diverser Rauschzustände. Begeisterung im Leben sei aber immer auch mit Erkenntnis verbunden, "wenn ich mich freue, geht mir das Herz auf".

Die Wegwerfgesellschaft produziere jedoch eine Wegwerfgesinnung. Perner: "In der Spaßgesellschaft wird Unlust peinlich vermieden, und gibt es den geringsten Anlass dazu, dann wird überkompensiert. Leid auch einmal anzunehmen, wird nicht beworben." Warum gehen, um das an einem praktischen Beispiel zu demonstrieren, so viele Ehen und Partnerschaften in die Brüche, fragt sie? Weil man auch immer weniger bereit sei, Krisen miteinander durchzustehen.

Man horche heute viel zu wenig in sich hinein, sagt Roman Braun, und habe die Beziehung zum eigenen Körper verloren. Der Ersatz, den die Wegwerfgesellschaft für die verlorengegangene Sensibilität zu bieten habe, sei häufig ein nur kurzer Spaß. "Oft ist es nur noch der Kaufprozess, der Lust bereitet, weder Vorfreude noch Freude am Produkt selbst seien vorhanden." Siehe Bali oben.



Einmal innehalten und seine Position überdenken, empfiehlt Braun in dieser Situation. Was ist mir wichtig? (1. Position) Was ist dem/der anderen wichtig? (2. Position) Wie sieht das aus einem neutralen Blickwinkel, emotional unbeteiligt, aus? (3. Position) Frauen tendierten in unserer Gesellschaft dazu, sich überwiegend in die zweite Position zu begeben, erklärt der Kommunikationsexperte. Die eigenen Gefühle würden unterdrückt. Im Vordergrund stehe: Was braucht das Kind, was braucht der Mann?

Nicht viel besser die Männer, sie würden die dritte Position bevorzugen. Dort spüre man seine eigenen und die Gefühle der anderen nicht, man könne so ein harter Macher sein. "Was aber Freude und Lust ausmacht, finde ich nur in der ersten Position", betont Braun, "wie es mir geht, was ich für meinen Körper tun muss . . ."

Das Leben in der 2. und 3. Position führe aber zum Suchtverhalten. Braun: "Man öffnet sich Nischen. Beispiel Alkohl: Bis zum Abend halte ich schon durch, dann warten drei Biere auf mich. Man missbraucht die eigene Gesundheit und die der anderen."

Woraus dann ein Teufelskreis entsteht. Die Dissonanz, das Unbehagen mit dem eigenen Leben wächst, "man wagt sich gar nicht mehr in die 1. Position, weil man Angst hat zu sehen, wie schlimm es schon geworden ist." Diese ernüchternde Diagnose gelte für völlig überarbeitete Menschen gleichermaßen wie für Frauen in der sogenannten Helferposition.

"Sich wiederzufinden", seine primären Gefühle wieder zurückzugewinnen, sich über die eigenen Bedürfnisse im Klaren zu sein, sei deshalb enorm wichtig, um mehr Lust am Leben zu haben, sagt Braun. Was sich dann auch auf die Umgebung auswirkt. "Wer in Kontakt mit seinen Gefühlen ist, bekommt auch mit, wie es den anderen geht."



Nischen finden,
Oasen der Ruhe

Wer den Deckel seines Druckkochtopfes niemals öffnet, kann vieles nicht wahrnehmen, weil sich die Nebel um die Wegweiser zur Selbstreflektion und Selbstwahrnehmung nicht lichten können. Ohne diese kontemplativen Elemente fällt aber das Funktionieren in der heutigen Gesellschaft immer schwerer.

Friederun Pleterski schreibt: "Niemand kann gegen den Zeitgeist unserer Epoche, die Beschleunigung, ankämpfen, zu stark hat der Strom die großen Städte der Welt erfasst. Doch man kann Nischen finden, Oasen der Ruhe, Kurorte der Zeit. Dorthin sollte man sich zurückziehen, wenn einem danach ist."


Exkurs

Regelmäßiger Urlaub erhöht Lebenserwartung
Der Standard, 4. 10. 2000
New York/Pittsburgh - Wer jahrelang arbeitet, ohne zwischendurch Urlaub zu machen, hat eine deutlich geringere Lebenserwartung, berichten US-Forscher. Wissenschafter von der New York University und der Pittsburgh University stellten in einer groß angelegten Langzeitstudie über koronare Herzkrankheiten fest, dass das Todesrisiko bei Workaholics, die niemals abschalten können oder wollen, um ein Drittel höher liegt als bei Berufstätigen, die sich mehrmals im Jahr ein paar Tage Pause gönnen.
Die Wissenschafter hatten mehr als 12.000 Männer über einen Zeitraum von neun Jahren beobachtet. 13 Prozent der Studienteilnehmer gönnten sich niemals Urlaub, 26 Prozent nahmen sich hingegen fünfmal im Jahr frei. Die Studienergebnisse zeigten zwischen den Angehörigen der beiden Gruppen einen signifikanten Unterschied beim Sterberisiko aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen von rund einem Drittel.
Kein Unterschied ergab sich allerdings bezüglich des Sterberisikos aus anderen Gründen. Außer der Urlaubsfrequenz waren alle übrigen Risikofaktoren wie Rauchen, Übergewicht oder Bluthochdruck in beiden Gruppen gleich verteilt.
Was nach Ansicht der Studienleiter den eindeutigen Schluss zulässt, dass Menschen, die öfter einmal Ferien machen, eine höhere Lebenserwartung haben. (rbe)