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        | André
        Gorz über die Erfindung der Arbeit und die damit verbundene Sinnentleerung durch deren ökonomische
        Rationalisierung
 |  Münzen im Wasserbecken
        des Fontana di Trevi
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        | aus: André
        Gorz, Kritik der ökonomischen Vernunft, Berlin: Rotbuch
        Verlag, 3. Aufl., 1990, S 39 f |  | Rational
        durchgestyltes Werbemanagement machte es möglich, dass aus
        ursprünglich ökosozial integrierten Menschen "Maschinen"
        wurden. Mit "angepassten" Bedürfnissen. |  
        | Die wissenschaftliche
        Arbeitsorganisation in der Industrie war das beständige
        Bemühen, die Arbeit als ökonomisch quantifizierbare
        Kategorie von der lebendigen Person des Arbeiters zu trennen.
        Zunächst nahm dieses Bemühen die Gestalt einer Mechanisierung
        nicht etwa der Arbeit, sondern des Arbeiters selbst an: nämlich
        die Form, bestimmte Leistungen über vorgegebene Arbeitsrhythmen
        und Arbeitstakte zu erzwingen. Denn der Leistungslohn - der später
        die ökonomisch rationellste Form sein sollte - erwies sich
        anfänglich als unpraktikabel. Für den Arbeiter zu Ende
        des 18. Jahrhunderts nämlich war die "Arbeit"
        ein intuitives know how, das in einen überlieferten
        Lebensrhythmus integriert war, und niemand wäre auf die
        Idee gekommen, seine Anstrengung zu intensivieren oder zu verlängern,
        nur um mehr zu verdienen. Der Arbeiter "fragte nicht: wieviel
        kann ich am Tag verdienen, wenn ich das mögliche Maximum
        an Arbeit leiste, sondern: wieviel muß ich arbeiten, um
        denjenigen Betrag - 2.50 Mark - zu verdienen, den ich bisher
        einnahm und der meine traditionellen Bedürfnisse deckt?"
        Der Widerwillen der Arbeiter,
        Tag für Tag einen ganzen Arbeitstag zu bestreiten, war die
        Hauptursache für den Bankrott der ersten Fabriken. Die Bourgeoisie
        führte diesen Widerwillen auf "Faulheit" und "Trägheit"
        zurück. Sie sah keine andere Möglichkeit, damit fertigzuwerden,
        als derart niedrige Löhne zu zahlen, daß man sich
        tagtäglich mindestens 10 Stunden plagen mußte, um
        seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
        ... |  | Die ökonomische
        Rationalisierung der Arbeit bestand also nicht einfach darin,
        bereits existierende Produktionstätigkeiten methodischer
        und zweckmäßiger zu machen. Sie war eine Revolution,
        eine Umwälzung der Lebensweise, der Werte, der sozialen
        Beziehungen und der Beziehung zur Natur; sie war im vollen Wortsinn
        eine Erfindung von etwas vorher noch nie Dagewesenem.
        Die produktive Tätigkeit wurde von ihrem Sinn, ihren Motivationen
        und ihrem Gegenstand abgeschnitten, um statt dessen bloßes
        Mittel zum Geldverdienen zu werden. Sie hörte auf,
        Teil des Lebens zu sein, um statt dessen Mittel zum "Lebensunterhalt"
        zu werden. Arbeitszeit und Lebenszeit wurden voneinander getrennt;
        die Arbeit, ihre Werkzeuge und Produkte, erhielten eine andere,
        dem Arbeiter entfremdete Wirklichkeit und hingen von fremden
        Entscheidungen ab. 
 Ein solcherart "erzwungener"
        ökonomischer "Mehrwert" wurde von einer wirtschaftlich
        und sozial integrierten
        Vielheit
        "verLAGERt" zu einer Minderheit - mit weitgehend unterschiedlicher
        Interessenslage. Die Anliegen dieser Vielheit von einstmals Verantwortlichen
        für regionale Ansprüche (Familienunternehmen, Genossenschaftsbanken,
        regional
        verankerte Städte, ...) blieb seither (seit der zunehmenden Globalisierung
        fluider Kapitalströme) naturgemäß (die "innere
        Natur" des Menschen betreffend) "auf der Strecke".
        Denn mit dem ökonomischen Mehrwert wurden auch deren Kompetenzen
        - und damit auch mögliche Ansprüche auf Machtausübung durch Horten (ebenso: Banken in der Finanzkrise!) - ausgeLAGERt. |  
        | Die Einheit, in deren
        Gravitationsfeld das Volk sich bewegt, heißt Staat, heißt
        Souveränität, heißt volonté générale.
        Die Einheit, die hinter der Menge steht, ist hingegen die Sprache,
        ist der Intellekt als soziales und interpersonales Vermögen,
        bezieht sich auf allgemeine Fähigkeiten der Spezies. Wenn
        die Menge sich der Form Staat entzieht, so vor allem, weil sie
        einer anderen Ordnung angehört: einer Ordnung, an deren
        Anfang und nicht an deren Ende ein Allgemeines steht. Dieses
        Verhältnis gilt es genauer zu untersuchen....
 Diese Kollektivität richtet sich gegen das Modell der politischen
        Repräsentation, gegen die Vorstellungen von der volonté
        générale und der Volkssouveränität, die
        unerträgliche (und zudem furchtbare) Vereinfachungen sind.
        Die Kollektivität der Menge schließt weder Verträge
        noch überträgt sie einem Souverän Rechte. Die
        Menge ist ein Kollektiv individuierter Singularitäten. Für
        sie ist das Universelle eine Voraussetzung ihrer Existenz und
        nicht etwa ein leeres Versprechen.
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        |  | Paolo Virno entnommen aus dem Essay: Moltitudine e principio di individuazione
 erschienen in: DeriveApprodi (21/2002), Rom
 aus dem Italienischen übersetzt von: Thomas Atzert
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        | Die Tüchtigen nicht bevorzugen,
 so macht man, daß das Volk nicht streitet.
 Lao Tse, Tao Te King
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