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 Nachhaltigkeit - ein Erklärungsversuch
[und: Teilnahmekriterien für Unternehmen]

Der Begriff Nachhaltigkeit ist der Forstwirtschaft entlehnt und wird inzwischen für viele Zwecke verwendet, die mit der ursprünglichen Bedeutung nicht einmal mehr im Ansatz etwas zu tun haben, oft sogar wird dieser Begriff zweckentfremdet ge(...)braucht. In Bezug auf die Forstwirtschaft verstehe ich darunter die generationenübergreifende Arbeit zur Optimierung der Lebensbedingungen des Hochwaldes (Erhaltung der Vielfalt zur Minderung von Schädlingsbefall, Bringung von Totholz, Lawinenverbau etc.). Damit wird auch der wirtschaftlich erzielbare Ernteertrag optimiert.

Verallgemeinernd betrachtet fördert eine nachhaltige Ökonomie somit eine Ressourcen (Umwelt- und Rohstoffverbrauch) schonendere Produktionsweise, befähigt Menschen zu einer ganzheitlichen, selbstbestimmten Lebensführung, fördert den Ausgleich und bewirkt damit eine Erhöhung ihrer Lebensqualität.

  

Jede Teilnahme an einer gemeinnützigen Dachmarke stärkt den sozialen, also den gesellschaftlich wirksamen Aspekt nachhaltigen Wirtschaftens.
   

Teilnahmekriterien für Unternehmen

Um den verschiedensten Ansichten, was nun nachhaltiges Wirtschaften im konkreten Fall bedeutet, nicht noch eine weitere Definition hinzu zu fügen, steht es den empfehlenden Institutionen bis zur Größe eines KMU (ausgenommen: nicht-börsenotierte Familienunternehmen1) grundsätzlich frei2, welche Produktionsweise sie im Einzelfall als "nachhaltig"3 bezeichnen, wobei sich die dabei getroffene Beurteilung auf diese Kriterien stützt: ressourcenschonend, umweltbewusst, solidarisch, bildungsorientiert und kulturell aufgeschlossen.

Mitgliedsbetriebe ausgesuchter regionaler Dachmarken/Vermarktungsinitiativen oder Zertifizierungs-Netzwerke (siehe zB Gütesiegel unter marktcheck.at, NRW Leitbetriebe, ...) zählen insofern dazu, als deren Mitgliedschaft durch die Einhaltung von Qualitätskriterien definiert ist. Ebenso sind auch die begründet Empfehlenden die erste Ansprechadresse, wenn es darum geht, Vorwürfe gegen das empfohlene Unternehmen zu untersuchen und allenfalls notwendige weitere Vorgehensweisen mit dem Unternehmen selbst und wenn erforderlich, auch mit dem Wertebeirat festzulegen.

 Den Zugang zu ihnen bilden nicht Prüfungen, sondern die Eliteschüler werden von ihren Lehrern nach deren freiem Ermessen ausgewählt und den Behörden von Kastalien empfohlen.

Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel
ISBN 3-518-36579-7, S 63
Verweis auch auf S 67 (Mentor) und S 150 (Aufnahmebefugnis)

Diese grundsätzliche Definitionsfreiheit erfährt allerdings ihre Einschränkung insbesondere durch diese Ausschlusskriterien für die Teilnahme (betrifft auch Zulieferfirmen):

   

 "Ich will das Geld nicht"
Adam Trusk in: Jenseits von Eden
von John Steinbeck

Unternehmen der Atomenergie und der Rüstungsindustrie;
Unternehmen im Bereich der Produktion von Suchtmitteln, suchtgefährdender Stoffe oder Dienstleistungen;
Unternehmen mit einem wirtschaftlichen Bezug zu den Themen Euthanasie; Pornographie; Glücksspiel; Gentechnik, die über die humanmedizinischen Anwendungsgebiete hinausgeht; Tierversuche;
Unternehmen, die (wiederholt) Menschenrechtsverletzungen begehen oder
die ein kontroverses Umwelt- und Sozialverhalten zeigen,
sowie börsenotierte
4 Unternehmen mit einer vorwiegend nicht regional verankerten (und anonymen) EigentümerInnenstruktur oder Unternehmen, die von
diesen wirtschaftlich zu mehr als 25 % beeinflusst
werden

Nichterfüllung qualitativer Mindestanforderungen
durch die Bewertung von Marktteilnehmenden und
der Kontrolle durch den Wertebeirat


Linkempfehlung: Unternehmens-Charta
der Wirtschaft in Gemeinschaft in Österreich

Nachhaltige Unternehmensführung

Insbesondere für die Organisations- und Führungsstrukturen der Dachorganisation oekosozialmarkt.com selbst sollten erfolgreiche Erfahrungen aus Jahrhunderten vorbildhaft wirken. Emil Inauen und Bruno S. Frey von der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich kamen bei der diesbezüglichen Untersuchung des benediktinischen Klosters Engelberg zu folgendem Ergebnis:

Um Missbräuche und Exzesse zu verhindern, gingen und gehen die Benediktiner einen besonderen Weg. Wie es sich über Jahrhunderte erfolgreich bewährt hat, setzen die monastischen Institutionen vornehmlich auf interne Führungs- und Kontrollmechanismen.

Die Governance der Benediktiner ruht auf drei Eckpfeilern: Erstens überraschen die Abteien mit demokratischen Strukturen und erheblichen Mitspracherechten für ihre Mitglieder. Zweitens ist die Einbettung der Mitglieder in ein gemeinsames Wertsystem von herausragender Bedeutung. Drittens wird nicht gänzlich auf externe Kontrolle verzichtet. Allerdings ist diese in besonderer Weise ausgestaltet und erlaubt es, die umfassende Autonomie der einzelnen Abteien zu wahren. Beeindruckend ist die ungeheure Stabilität der grundlegenden Leitungsstrukturen, die gleichzeitig den Abteien Spielraum lässt, sich verändernden Anforderungen und Epochen anzupassen.


1a) Hinweis 1 zu "Familienunternehmen". Hier ein Auszug aus dem Interview von Der Standard mit Alexander Otto (Otto-Versand), veröffentlicht am 26. 4. 2009, 19:17:

Standard: Warum machen Sie aus eigenen Bilanzen ein Geheimnis?
Otto: Das ist ja für Familienunternehmen nicht untypisch. Wir wollen eine langfristig gute Entwicklung. Der Gewinn einzelner Jahre spielt da keine so große Rolle.

Hinweis 2: Familienunternehmen versagen in der Krise

1b) Überdies sorgt die Spezifik des Familienunternehmens dafür, dass langfristige Interessen bei der Verfolgung geschäftlicher Ziele in der Regel Oberwasser haben.
Warum ist das so? Die Familie will das Lebenswerk sichern, sie hat mit ihrer Geschäftstätigkeit das Ziel, das Werk des Gründers zu erhalten, zu mehren und an die Nachkommenschaft aus der nächsten Generation weiterzugeben. Diese Interessenlage bewirkt, dass Familienunternehmen ein Interesse an nachhaltigem Wirtschaften haben. Sie müssen so agieren, dass sie auch auf den Märkten von morgen bei ihren Kunden noch einen Platz haben, vor allem müssen sie sich auch so verhalten, dass mit der Kundschaft so umgegangen wird, dass sie auch in der nächsten Generation noch für ein Geschäft angesprochen werden kann.
... Es sei klar gesagt: Ich will damit nicht alle Familienunternehmen weißwaschen - schwarze Schafe gibt es überall -, sondern deutlich machen, dass in der Welt dieses Unternehmenstypus ein starker Anreiz für nachhaltiges Wirtschaften besteht.
... Dieses Bild kontrastiert mit den Verhältnissen im typischen Konzernunternehmen. Pro Jahr geben 18 Prozent der Vorstandsvorsitzenden deutscher Großkonzerne ihr Amt auf, ... Entsprechend kurz sind auch die Zielhorizonte im Managerkapitalismus.

aus: Max Otte, Der Informationscrash, Berlin: Econ, 1. Aufl. 2009, S 288 f

1c) Linkhinweis: Familienunternehmen

1d) Ergebnis einer Befragung im Auftrag von Staatssekretärin Christine Marek: Familienfreundlichkeit zahlt sich für Betriebe aus - und: gerade kleine und mittlere Unternehmen stabilisieren in Krisenzeiten auch aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen (zB Einsparungen bei Neueinschulungen), denn "als Hauptmotiv, gerade familienfreundliche Maßnahmen nicht zurückzufahren, nannten die überwiegend kleinen und mittleren Betriebe die stärkere Motivation der Mitarbeiter."

Sonderhinweis: Der Underground-Cup - ein Spiel ohne Schiedsrichter währt bereits seit 4 Jahren

2) "Grundsätzlich frei" in ihrer Selbsternennung zur Menschenrechtsstadt sind auch jene Städte, die sich in ihrer Selbststrukturierung an den Vorstellungen der von Frau Shulamith Koenig ins Leben gerufenen Organisation PDHRE orientieren:

To achieve its vision and mission in a practical way, PDHRE has been facilitating the development of Human Rights Cities around the world.

What are human rights cities? Imagine living in a society where all citizens have made a pledge to build a community based on equality and nondiscrimination; --where all women and men are actively participating in the decisions that affect their daily lives guided by the human rights framework; where people have consciously internalized the holistic vision of human rights to overcome fear and impoverishment, a society that provides human security, access to food, clean water, housing, education, healthcare and work at livable wages, sharing these resources with all citizens-- not as a gift, but as a realization of human rights. A Human Rights city is a practical viable model that demonstrates that living in such a society is possible!
[8. Mai 2009 8:40 MESZ]

3) vgl. Bericht Ganz slow: Kleinstadt auf Italienisch von Georgia Meinhart
in: Die Presse am Sonntag, 29.3.2009, S 15:

Mit Schneckentempo hat Città Slow trotz irreführender Symbolik eigentlich auch nicht wirklich viel zu tun, den Anhängern geht es um Nachhaltigkeit, um das Bewahren von Natur, Identität und kulturellem Erbe, um Lebensqualität im Alltag, regionale Wirtschaft und lokale Arbeitsplätze.

117 Mal weltweit. So unterschiedliche Städte wie Hadong in Südkorea, Katoomba in Australien und Reszel in Polen gehören wie Enns zu den 117 Mitgliedern von Città Slow. In Italien gehören auch klingende Namen wie Amalfi, Positano oder San Daniele del Friuli dazu, in Österreich sind Hartberg in der Steiermark und Horn in Niederösterreich die nächsten Anwärter. Die Kriterien: Die Mitglieder dürfen nicht mehr als 50.000 Einwohner und müssen einen historisch gewachsenen Stadtkern haben. Sie verpflichten sich zu schonungsvollem Umgang mit natürlichen Ressourcen, verantwortungsvoller Infrastrukturpolitik, Förderung regionaler Produkte und deren Vermarktung usw. Was schwammig klingt, kann tatsächlich auch großzügig ausgelegt werden. Insgesamt gibt es einen Fragenkatalog mit 69 Kriterien, mindestens 50 Prozent müssen erreicht werden, um die Schnecke auf dem Rathaus-Briefpapier führen zu dürfen.

4) Warum börsenotierte Unternehmen als "nicht empfehlenswert" für eine nachhaltige(re) Wirtschaftslandschaft einzustufen sind ergibt sich aus ihrem Primat zur Renditemaximierung unter Konkurrenzverhältnissen. Nicht anders sind - leider immer wieder - derartige Pressemeldungen zu verstehen:

"Denn der öffentliche Druck auf BP steigt. Nach dem Defekt der Leitung hätte ein sogenannter 'Blow-out-Preventer', ein meterhohes gusseisernes Ventil, das Auslaufen verhindern sollen. Warum der Mechanismus nicht funktionierte, weiß derzeit niemand. Eine Fernbedienung, mit der man das Ventil auch von Land aus hätte schließen können, hat sich BP nicht geleistet. Anders als in Norwegen und Brasilien ist diese Sicherheitsvorkehrung in den USA nicht Pflicht." [Die Presse, Ölpest: BP droht Milliardenschaden und mieses Image, 22. 5. 2010, S 15]


Anhang:
1. Beispiel für eine unternehmerische Vertriebskooperation aus der herkömmlichen Praxis.
2. Dezentrale (und gemeinschaftlich überwachte) Investmentstrategien sollen auch helfen, Fehlallokationen zu vermeiden.