Silverman tätigte 1995 noch
andere Ankäufe wie Century 21, ERA und Coldwell Banking,
die scheinbar in keinem Zusammenhang zu den übrigen Firmenzweigen
standen. Dadurch wurde HFS zum weltweit größten Lizenzgeber
im Bereich Wohnungsbau und Immobilien. Später kaufte Silverman
für 1,8 Milliarden Dollar auch noch PHH, ein Konglomerat
aus Umzugsunternehmen für Firmen und Finanzdienstleistern.
Am deutlichsten zeigte sich jedoch die Taktik von HFS beim Kauf
der Avis-Autovermietung für 800 Millionen Dollar. Noch bevor
der Handel abgeschlossen war, verkündete HFS, daß
es die zweitgrößte Autovermietung an die Börse
bringen würde. HFS wollte die 174 000 Fahrzeuge, 20 000
Mitarbeiter und 540 Niederlassungen von Avis verkaufen. Nur das
Informations- und Reservierungssystem von Avis wollte HFS für
sich behalten und gegen eine feste Gebühr betreiben. Natürlich
sollte auch der Markenname Avis für weitere Lizenzvergaben
bei HFS bleiben. Da man an der Wall Street noch keine Bezeichnung
für diese Strategie gefunden hat, schlage ich den Begriff
"Informationsausschlachtung" vor.
Dank dieser Strategie verzehnfachten
sich die Einnahmen von HFS zwischen 1992 und 1997 auf 2 Milliarden
Dollar, und der Reingewinn des Unternehmens stieg um das 20fache
auf 475 Millionen Dollar. Doch den größten Vermögenswert
bilden die psychographischen und demographischen Informationen
sowie die Kaufdaten von HFS. Aufgrund seiner vielfältigen
Angebote betreut das Unternehmen ungefähr 100 Millionen
Kunden.
Dieser letzte Vermögenswert
machte die Begegnung zwischen Forbes und Silverman für beide
Seiten so produktiv. Sie gingen eine Partnerschaft ein, bei der
sich CUCs Vermarktungsstärke mit den Kundendaten von HFS
verband. Bei diesem Geschäft sollte CUC seine Reise-, Einkaufs-,
Gourmet- und Autoclubs den Millionen Gästen von HFS anbieten.
Allerdings werden die angehenden Kunden nicht mit langweiligen
Wurfpostsendungen, unerwünschten Telefonanrufen oder E-Mails
belästigt. Wer in einem Hotel von HFS ein Zimmer reserviert,
wird nach der Buchung gefragt, ob man an Informationen über
einen Reiseclub interessiert wäre, über den man bei
seiner Reise beträchtlich sparen könne. Zu dem Lockangebot
gehört beispielsweise ein Benzingutschein über 20 Dollar.
Zeigt man sich interessiert, wird man mit einem Mitarbeiter von
CUC verbunden, der dem Hotelgast die speziellen Angebote für
Mitglieder erläutert. Das Ergebnis: 30 Prozent reagieren
positiv (verglichen mit den 1 bis 2 Prozent, die normalerweise
beim Direktmarketing überzeugt werden können). Und
wer könnte auch widerstehen? "Wenn Sie einen Flug buchen,
wäre vielleicht ein spezielles Angebot für einen Mietwagen
von Avis für Sie interessant, den Sie direkt am Flughafen
in Empfang nehmen können."
Genauso wird Century 21 den Mitarbeitern,
wenn eine Firma umzieht und dabei die Dienste von PHH Corporation
in Anspruch nimmt, gern die entsprechenden Häuser und Wohnungen
in der Nähe des neuen Standorts vermitteln. Die Mitarbeiter
müssen Century 21 selbstverständlich ihre persönlichen
finanziellen Verhältnisse offenlegen, damit die Firma Kredite
von FISI Madison für sie beantragen kann. Doch für
einen Kredit braucht man eine Lebensversicherung, für die
der Antragsteller alle notwendigen medizinischen Angaben zu seiner
Gesundheit bei Benefit Consultants machen muß. Kommt es
schließlich durch die Vermittlung von Century 21 zum Hauskauf,
erhält der glückliche neue Besitzer als Begrüßungsgeschenk
von Premier Dining eine Liste der Restaurants vor Ort oder ein
Angebot mit billigen Büchern über die nähere Umgebung,
die bei Entertainment Publishing erschienen sind.
Cendant enstand offiziell durch
eine Fusion von CUC und HFS, die über einen Aktientausch
gegründet wurde. Dadurch stieg die Kapitalausstattung der
ganzen Gruppe auf 22 Milliarden Dollar. Nicht einmal an der Wall
Street erkannte man zunächst die Logik des Informationszeitalters,
die dem Geschäft zugrund lag, daher fielen die Aktienkurse
beider Unternehmen zunächst um 8 Prozent. Sie erholten sich
jedoch wieder, weil Wertpapieranalytiker über die neuen
Synergieeffekte des Geschäfts informiert wurden.
Nach Einschätzung von Walter
Forbes wird der Electronic Commerce im Jahr 2007 etwa 20 bis
25 Prozent des amerikanischen Einzelhandels ausmachen, in dem
derzeit die enorme Summe von 2 Billionen Dollar umgesetzt wird.
Forbes erklärt: "Die Fixkosten (im traditionellen Einzelhandel)
- Backsteine, Mörtel, Grundstücke, Personal, Steuern,
Krankenversicherung - steigen alle. Die anderen haben Inventar,
wir nicht. Unsere Festkosten - für Kommunikationstechnik,
Datenbanken, Hardware - sinken. Die Vorteile des Online-Shopping
nehmen ständig zu." Auf die Frage nach der Zukunft
des herkömmlichen Einzelhandels antwortet Forbes: "20
bis 25 Prozent werden einfach verschwinden" und verweist
auf die wachsende Liste der Konkurse von Montgomery Ward, Wollworth,
Caldor und Bradless. "Oder sie passen sich an: Einkaufszentren
übernehmen zunehmend Unterhaltungs- und Babysitterfunktionen.
Der Anteil der Restaurants und Unterhaltungsbetriebe steigt,
der Warenanteil geht zurück. Sie reagieren bereits auf eine
Zukunft, die noch gar nicht eingetrofen ist". Forbes prophezeit
auch, daß die Machtkonzentration in der Cyberwirtschaft
wesentlich höher sein wird als in der Wirtschaft des Industriezeitalters:
"Höchstens zehn Firmen werden 80 Prozent des Online-Geschäfts
unter sich ausmachen. Vielleicht sind es auch nur fünf,
weil Größe, die sich natürlich im Preis niederschlägt,
von enormer Bedeutung sein wird." Cendant faßt bereits
seine verschiedenen Websites zu einer einzigen Shopping-Site
namens netMarket zusammen, die mit nur einem Mausklick erreicht
werden kann. Bedenkt man, daß das Internet weltweit zugänglich
ist, können diese fünf bis zehn Unternehmen nicht nur
die USA, sondern auch den ganzen Globus versorgen.
Wahrscheinlich
haben Sie es bereits erraten, und es wurde ja auch an früherer
Stelle erwähnt: Cendant gibt nun auch seine eigene Währung
heraus. Sie heißt "netMarket Cash" und wird Kunden als
Treueprämie gewährt (Anm.: Statt der anfangs 5 Prozent
des Kaufpreises werden dem netMarket-Cash-Konto nunmehr "nur"
noch 3,5 % gutgeschrieben [7. 5. 2010]). Bei späteren
Käufen kann man die Gutschrift einlösen: Dabei kann
man unter einer Million Waren auswählen, in den kommenden
drei Jahren sogar schon unter drei Millionen verschiedenen Waren.
Entsteht mit netMarket Cash eine Unternehmenswährung? Oder
ist Cendant nur einer von mehreren Partnern bei einem Joint-venture
zur Schaffung einer Online-Währung, die durch reale Güter
und Dienstleistungen gedeckt wird?
Die Cendant-Gruppe konnte 1998
ungefähr 20 Prozent der Güter und Dienstleistungen
liefern, die in einem durchschnittlichen amerikanischen Haushalt
verwendet werden (eine Datenbank mit einer Million Einträgen).
Für das Jahr 1999 plante Cendant, 95 Prozent des Bedarfs
zu decken (was ungefähr 3 Millionen verschiedenen Gütern
und Dienstleistungen entspricht). Allerdings erlitt dieser ehrgeizige
Plan zwischen 1998 und 1999 einen herben Rückschlag. Ein
ganz altmodischer Buchhaltungsskandal führte sowohl zum
Rücktritt von Walter Forbes als Vorstandsvorsitzendem wie
auch zu einem empfindlichen Verlust von 80 Prozent an der Börse.
Daher ist es vielleicht nicht Cendant, sondern eine ganz andere
- noch unbekannte - Firma, die eines Tages die Cyberwelt beherrschen
wird.
Vom Informationszeitalter
zum Jahrtausend der Konzerne
Das Beispiel von Cendant zeigt eine mögliche Entwicklung
der Cyberwirtschaft. Es verdeutlicht auch sehr bildlich, daß
die Folgen einer Konzentration von Macht und Informationen einige
Fragen aufwerfen. Die Konzentration am Markt hat zu Fällen
von Mißbrauch geführt, gegen die mit Anti-Trust-Gesetzen
vorgegangen werden muß. Ebenso kann die Konzentration von
Informationen zum Mißbrauch persönlicher Daten führen.
Text entnommen aus: Bernard A.
Lietaer, Das Geld der Zukunft, Riemann Verlag, 2. Auflage, 1999,
S 186 ff, ISBN: 3-570-50008-X
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Anmerkungen: Die Worte "netMarket
Cash" (hier als Hypertext dargestellt mit weiterführendem
Link) sind im Originaltext nicht unterstrichen. Bei dieser Gelegenheit
sei auch gleich auf die kostenreduzierende Ähnlichkeit der
beiden Webauftritte von shoppersadvantage.com und netmarket.com hingewiesen.
Weitere Linkhinweise: www.cendant.com,
touristikreport.de - Blick hinter die Kulissen des Imperiums,
Wikipedia.org - Cendant > CUC International, Prepaid-Karten "Airtime"
als Ersatzwährung? |