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Fortsetzung:

Sie wurde Anfang der 90er Jahre von Henry Silverman gegründet. Die Erfolgsgeschichte des Unternehmens begann, als Silverman die Lizenzen für die Hotelketten Ramada Inn und Howard Johnson erwerben konnte. Die Lizenzen kosteten 170 Millionen Dollar, weitere 295 Millionen Dollar wurden für die Lizenz der Hotelkette Days Inn bezahlt. Im Jahr 1992 wurde das Unternehmen eine Publikumsgesellschaft unter dem Namen HFS. HFS erwarb darüber hinaus noch die Lizenz für die Motelkette Super 8 für 120 Millionen Dollar und wurde so zum größten Hotellizenzgeber weltweit. Silverman weist gerne darauf hin, daß nur wenige Menschen die Vorteile verstehen, die ein Lizenzgeber gegenüber dem tatsächlichen Besitzer hat.

 
Quelle: Bernard A. Lietaer, a. a. O., S 155
Der Lizenzgeber sorgt für den Bekanntheitsgrad des Markennamens, betreibt den Reservierungsservice, bietet den Lizenznehmern Schulungsseminare an und nimmt Inspektionen bei ihnen vor. Kurz gesagt befaßt sich der Lizenzgeber nur mit dem reinen Informationsaspekt und erhält dafür eine schöne, kalkulierbare Summe. Damit bleiben den Lizenznehmern nur die unangenehmen und unkalkulierbaren Aspekte, wie etwa die Wertschwankungen beim Grundbesitz, ständige Wartungsarbeiten und anfallende Renovierungen, die schwankenden Gästezahlen und all die anderen arbeitsintensiven Aufgaben.
     

Silverman tätigte 1995 noch andere Ankäufe wie Century 21, ERA und Coldwell Banking, die scheinbar in keinem Zusammenhang zu den übrigen Firmenzweigen standen. Dadurch wurde HFS zum weltweit größten Lizenzgeber im Bereich Wohnungsbau und Immobilien. Später kaufte Silverman für 1,8 Milliarden Dollar auch noch PHH, ein Konglomerat aus Umzugsunternehmen für Firmen und Finanzdienstleistern. Am deutlichsten zeigte sich jedoch die Taktik von HFS beim Kauf der Avis-Autovermietung für 800 Millionen Dollar. Noch bevor der Handel abgeschlossen war, verkündete HFS, daß es die zweitgrößte Autovermietung an die Börse bringen würde. HFS wollte die 174 000 Fahrzeuge, 20 000 Mitarbeiter und 540 Niederlassungen von Avis verkaufen. Nur das Informations- und Reservierungssystem von Avis wollte HFS für sich behalten und gegen eine feste Gebühr betreiben. Natürlich sollte auch der Markenname Avis für weitere Lizenzvergaben bei HFS bleiben. Da man an der Wall Street noch keine Bezeichnung für diese Strategie gefunden hat, schlage ich den Begriff "Informationsausschlachtung" vor.

Dank dieser Strategie verzehnfachten sich die Einnahmen von HFS zwischen 1992 und 1997 auf 2 Milliarden Dollar, und der Reingewinn des Unternehmens stieg um das 20fache auf 475 Millionen Dollar. Doch den größten Vermögenswert bilden die psychographischen und demographischen Informationen sowie die Kaufdaten von HFS. Aufgrund seiner vielfältigen Angebote betreut das Unternehmen ungefähr 100 Millionen Kunden.

Dieser letzte Vermögenswert machte die Begegnung zwischen Forbes und Silverman für beide Seiten so produktiv. Sie gingen eine Partnerschaft ein, bei der sich CUCs Vermarktungsstärke mit den Kundendaten von HFS verband. Bei diesem Geschäft sollte CUC seine Reise-, Einkaufs-, Gourmet- und Autoclubs den Millionen Gästen von HFS anbieten. Allerdings werden die angehenden Kunden nicht mit langweiligen Wurfpostsendungen, unerwünschten Telefonanrufen oder E-Mails belästigt. Wer in einem Hotel von HFS ein Zimmer reserviert, wird nach der Buchung gefragt, ob man an Informationen über einen Reiseclub interessiert wäre, über den man bei seiner Reise beträchtlich sparen könne. Zu dem Lockangebot gehört beispielsweise ein Benzingutschein über 20 Dollar. Zeigt man sich interessiert, wird man mit einem Mitarbeiter von CUC verbunden, der dem Hotelgast die speziellen Angebote für Mitglieder erläutert. Das Ergebnis: 30 Prozent reagieren positiv (verglichen mit den 1 bis 2 Prozent, die normalerweise beim Direktmarketing überzeugt werden können). Und wer könnte auch widerstehen? "Wenn Sie einen Flug buchen, wäre vielleicht ein spezielles Angebot für einen Mietwagen von Avis für Sie interessant, den Sie direkt am Flughafen in Empfang nehmen können."

Genauso wird Century 21 den Mitarbeitern, wenn eine Firma umzieht und dabei die Dienste von PHH Corporation in Anspruch nimmt, gern die entsprechenden Häuser und Wohnungen in der Nähe des neuen Standorts vermitteln. Die Mitarbeiter müssen Century 21 selbstverständlich ihre persönlichen finanziellen Verhältnisse offenlegen, damit die Firma Kredite von FISI Madison für sie beantragen kann. Doch für einen Kredit braucht man eine Lebensversicherung, für die der Antragsteller alle notwendigen medizinischen Angaben zu seiner Gesundheit bei Benefit Consultants machen muß. Kommt es schließlich durch die Vermittlung von Century 21 zum Hauskauf, erhält der glückliche neue Besitzer als Begrüßungsgeschenk von Premier Dining eine Liste der Restaurants vor Ort oder ein Angebot mit billigen Büchern über die nähere Umgebung, die bei Entertainment Publishing erschienen sind.

Cendant enstand offiziell durch eine Fusion von CUC und HFS, die über einen Aktientausch gegründet wurde. Dadurch stieg die Kapitalausstattung der ganzen Gruppe auf 22 Milliarden Dollar. Nicht einmal an der Wall Street erkannte man zunächst die Logik des Informationszeitalters, die dem Geschäft zugrund lag, daher fielen die Aktienkurse beider Unternehmen zunächst um 8 Prozent. Sie erholten sich jedoch wieder, weil Wertpapieranalytiker über die neuen Synergieeffekte des Geschäfts informiert wurden.

Nach Einschätzung von Walter Forbes wird der Electronic Commerce im Jahr 2007 etwa 20 bis 25 Prozent des amerikanischen Einzelhandels ausmachen, in dem derzeit die enorme Summe von 2 Billionen Dollar umgesetzt wird. Forbes erklärt: "Die Fixkosten (im traditionellen Einzelhandel) - Backsteine, Mörtel, Grundstücke, Personal, Steuern, Krankenversicherung - steigen alle. Die anderen haben Inventar, wir nicht. Unsere Festkosten - für Kommunikationstechnik, Datenbanken, Hardware - sinken. Die Vorteile des Online-Shopping nehmen ständig zu." Auf die Frage nach der Zukunft des herkömmlichen Einzelhandels antwortet Forbes: "20 bis 25 Prozent werden einfach verschwinden" und verweist auf die wachsende Liste der Konkurse von Montgomery Ward, Wollworth, Caldor und Bradless. "Oder sie passen sich an: Einkaufszentren übernehmen zunehmend Unterhaltungs- und Babysitterfunktionen. Der Anteil der Restaurants und Unterhaltungsbetriebe steigt, der Warenanteil geht zurück. Sie reagieren bereits auf eine Zukunft, die noch gar nicht eingetrofen ist". Forbes prophezeit auch, daß die Machtkonzentration in der Cyberwirtschaft wesentlich höher sein wird als in der Wirtschaft des Industriezeitalters: "Höchstens zehn Firmen werden 80 Prozent des Online-Geschäfts unter sich ausmachen. Vielleicht sind es auch nur fünf, weil Größe, die sich natürlich im Preis niederschlägt, von enormer Bedeutung sein wird." Cendant faßt bereits seine verschiedenen Websites zu einer einzigen Shopping-Site namens netMarket zusammen, die mit nur einem Mausklick erreicht werden kann. Bedenkt man, daß das Internet weltweit zugänglich ist, können diese fünf bis zehn Unternehmen nicht nur die USA, sondern auch den ganzen Globus versorgen.

Wahrscheinlich haben Sie es bereits erraten, und es wurde ja auch an früherer Stelle erwähnt: Cendant gibt nun auch seine eigene Währung heraus. Sie heißt "netMarket Cash" und wird Kunden als Treueprämie gewährt (Anm.: Statt der anfangs 5 Prozent des Kaufpreises werden dem netMarket-Cash-Konto nunmehr "nur" noch 3,5 % gutgeschrieben [7. 5. 2010]). Bei späteren Käufen kann man die Gutschrift einlösen: Dabei kann man unter einer Million Waren auswählen, in den kommenden drei Jahren sogar schon unter drei Millionen verschiedenen Waren. Entsteht mit netMarket Cash eine Unternehmenswährung? Oder ist Cendant nur einer von mehreren Partnern bei einem Joint-venture zur Schaffung einer Online-Währung, die durch reale Güter und Dienstleistungen gedeckt wird?

Die Cendant-Gruppe konnte 1998 ungefähr 20 Prozent der Güter und Dienstleistungen liefern, die in einem durchschnittlichen amerikanischen Haushalt verwendet werden (eine Datenbank mit einer Million Einträgen). Für das Jahr 1999 plante Cendant, 95 Prozent des Bedarfs zu decken (was ungefähr 3 Millionen verschiedenen Gütern und Dienstleistungen entspricht). Allerdings erlitt dieser ehrgeizige Plan zwischen 1998 und 1999 einen herben Rückschlag. Ein ganz altmodischer Buchhaltungsskandal führte sowohl zum Rücktritt von Walter Forbes als Vorstandsvorsitzendem wie auch zu einem empfindlichen Verlust von 80 Prozent an der Börse. Daher ist es vielleicht nicht Cendant, sondern eine ganz andere - noch unbekannte - Firma, die eines Tages die Cyberwelt beherrschen wird.

Vom Informationszeitalter zum Jahrtausend der Konzerne
Das Beispiel von Cendant zeigt eine mögliche Entwicklung der Cyberwirtschaft. Es verdeutlicht auch sehr bildlich, daß die Folgen einer Konzentration von Macht und Informationen einige Fragen aufwerfen. Die Konzentration am Markt hat zu Fällen von Mißbrauch geführt, gegen die mit Anti-Trust-Gesetzen vorgegangen werden muß. Ebenso kann die Konzentration von Informationen zum Mißbrauch persönlicher Daten führen.

Text entnommen aus: Bernard A. Lietaer, Das Geld der Zukunft, Riemann Verlag, 2. Auflage, 1999, S 186 ff, ISBN: 3-570-50008-X
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Anmerkungen: Die Worte "netMarket Cash" (hier als Hypertext dargestellt mit weiterführendem Link) sind im Originaltext nicht unterstrichen. Bei dieser Gelegenheit sei auch gleich auf die kostenreduzierende Ähnlichkeit der beiden Webauftritte von shoppersadvantage.com und netmarket.com hingewiesen.

Weitere Linkhinweise: www.cendant.com, touristikreport.de - Blick hinter die Kulissen des Imperiums, Wikipedia.org - Cendant > CUC International, Prepaid-Karten "Airtime" als Ersatzwährung?