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Wer sich aber in das vollkommene Gesetz der Freiheit vertieft und bei ihm bleibt, wer es nicht nur hört, um es wieder zu vergessen, sondern danach handelt, der wird durch sein Tun glücklich sein. Jak 1,25

Die "bloß formale Freiheit"

Das eingangs erwähnte Zitat schrieb Karl R. Popper in: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde 2, München: Francke, 1980, 6. Aufl., S 159. Zum besseren Verständnis desselben sei es hier im Kontext nochmals wiedergegeben:

Das Dogma, daß die ökonomische Gewalt die Wurzel allen Übels ist, muß aufgegeben werden. Ein Verständnis der Gefahren, die jeder Form von unkontrollierter Gewalt innewohnen, muß seine Stelle einnehmen. Das Geld als solches ist nicht besonders gefährlich. Es wird gefährlich nur dann, wenn es zum Kauf von Macht verwendet werden kann, entweder direkt oder durch Versklavung der ökonomisch Schwachen, die sich selbst verkaufen müssen, um überleben zu können.

   
 

Anmerkungen und Ergänzungen

Karl Popper entschloss sich zur Niederschrift dieses zweibändigen Werks im März 1938, als ihn in Christchurch "die Nachricht von der Invasion Österreichs erreichte" [Bd. I, S 6].

Wir müssen in diesen Dingen sozusagen noch materialistischer denken als Marx. Wir müssen einsehen, daß die Kontrolle der physischen Gewalt und der physischen Ausbeutung das zentrale politische Problem ist und bleibt. Um diese Kontrolle einzuführen, müssen wir die "bloß formale Freiheit" einführen. Und sobald uns das gelungen ist, sobald wir gelernt haben, sie zur Kontrolle der politischen Gewalt zu verwenden, von diesem Augenblick an hängt alles von uns selbst ab. Wir dürfen nicht mehr andere Menschen tadeln, wir dürfen auch nicht die dunklen ökonomischen Dämonen hinter der Szene anklagen.


siehe auch vom Herrschen und Dienen: Mk 10,42 - 45


Selbst Hayek ist der Auffassung, daß das Feld, in dem die ökonomische Rationalität ungehemmt wirken kann, durch ein Oberhaus begrenzt werden muß, dessen Mitglieder aufgrund ihrer moralischen Autorität gewählt werden und außerhalb und oberhalb der Parteien stehen.
André Gorz, Kritik der ökonomischen Vernunft,
Berlin: Rotbuch, 3. Aufl., 1990, S 186


Auf dem Weg zur "Zivilisierung der Wirtschaft" (Zi 38) schreibt Joseph Ratzinger in seiner Funktion als Papst Benedikt XVI.:


Vielleicht war es früher denkbar, der Wirtschaft die Schaffung des Reichtums anzuvertrauen, um dann der Politik die Aufgabe zu übertragen, diesen zu verteilen. Heute erscheint das schwieriger, da die wirtschaftlichen Tätigkeiten nicht an territoriale Grenzen gebunden sind, während die Autorität der Regierungen weiter vorwiegend örtlich beschränkt ist. Darum müssen die Regeln der Gerechtigkeit von Anfang an beachtet werden, während der wirtschaftliche Prozeß in Gang ist, und nicht mehr danach oder parallel dazu.
Caritas in Veritate, Zi 37

Erhellend dazu siehe auch Kritik zu Caritas in Veritate von
Bernhard Emunds:
Missionierende Sozialverkündigung?

 

Denn in einer Demokratie besitzen wir den Schlüssel zur Kontrolle der Dämonen. Wir können sie zähmen. Es ist wichtig, daß wir diese Einsicht gewinnen und die Schlüssel gebrauchen; wir müssen Institutionen konstruieren, die es uns erlauben, die ökonomische Gewalt auf demokratische Weise zu kontrollieren und die uns Schutz vor der ökonomischen Ausbeutung gewähren.

Unter der Einführung bloß formaler Freiheit verstehe ich im Hinblick auf die ökonomische Gewalt das gemeinsame Erarbeiten einer unverbindlichen, kostenneutralen und nichtoperativen Struktur als Nährboden für jene, die Wertschöpfung[sgewinne] gerechter* verteilen wollen, als dies im Rahmen der aktuellen Überbetonung konkurrierender ökonomisch[-politisch]er Einzelinteressen möglich ist. Gleichzeitig hat dieser Nährboden für attraktive, nachhaltige Angebote im Bereich der realwirtschaftlichen Tauschaktivitäten potenzialfördernd und richtungsweisend zu wirken. Die Fokussierung auf die "bloßen Geldflüsse" allein auf der Basis eines Geschäftsmodells wirkt dabei langfristig betrachtet sogar kontraproduktiv. Dieser Aspekt wird auch sehr deutlich, wenn wir die ursprünglichen Ziele vieler Banken aus dem 19. Jhdt. mit den aktuellen Geschäftsführungspraktiken (aufgrund des herrschenden Wettbewerbs im Bereich von Finanzdienstleistungen) vergleichen.

Weiter im Text betont K. Popper die Wichtigkeit der Unterscheidung von Personen und Institutionen. Es sei darauf zu achten, dass nicht "eines Tages die falschen Personen diese ausgedehnten Gewalten in die Hand bekommen" [S 160 f]. Dabei noch ganz auf den Staat bedacht führt er auf S 161 ein Plädoyer für mehr Freiheit durch die "Methode des schrittweisen Umbaus sozialer Institutionen". Popper weiter: "Die Staatsintervention sollte eingeschränkt werden auf das, was zum Schutz der Freiheit wirklich notwendig ist."

 *) [Lebens-]Formenvielfalt fördernd - d. h. aber auch, bewusst auf grundsätzliche Freiheit(en) z. B. eines allgemeinen Zahlungsmittels zu verzichten. Konrad Paul Liessmann: "Natürlich kann man versuchen, sofern man den Menschen diese Freiheit nicht zumutet, die Funktionalität des Geldes einzuschränken: über Gutscheine, lokal begrenzte Währungen, Bezugsmarken." (Die Presse, Spectrum, 20.9.08, S II)
Eine Wirtschaftsstruktur, die diesen Gedanken angebotsorientiert umsetzen hilft sollte unsere Zustimmung finden.

Bastaix - Maria del Mar - Barcelona 
Wo ich eigentlich frei bin, bin ich gewiß, daß ich es nicht durch mich selbst bin.

Karl Jaspers, in: Was ist Philosophie?,
München: dtv, 2. Aufl., 1982, S 68

Figur: Lastenträger von La Ribera

 

Exkurs: Französische Revolution

Aber die Vergewisserung des Vielen ist nicht Gleichgültigkeit gegen Einheit,
sondern der Wille zur wahren Einheit.

Karl Jaspers, a. a. O., S 274

Den Arbeitsplatz zu wechseln, setzt voraus, daß es keine Arbeitslosigkeit gibt; das Fach zu wechseln setzt Möglichkeiten und Ressourcen voraus, sich die notwendigen Kenntnisse usw. zu verschaffen.

  Joachim Israel, in: Die sozialen Beziehungen, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, August 1977, S. 101
     

Konzern als Koordinatensystem mit zukunftsweisender Performance:
MCC Mondragón Corporación Cooperativa

Angesichts des wirtschaftlichen Erfolgs von MCC wird die Aussage von Karl Popper, "noch materialistischer" zu denken als Marx verständlicher. Und damit wird Proudhon bestätigt, wenn er meinte:
"Laßt euch unter keiner Bedingung von der Arbeit abhalten, nichts stärkt das Kapital mehr als der Streik, die Krise, die Arbeitslosigkeit; nichts kann das Kapital schlechter vertragen als unverdrossene Arbeit."
aus: Silvio Gesell, Die Natürliche Wirtschaftsordnung, Lauf bei Nürnberg: Rudolf Zitzmann Verlag, 9. Aufl., August 1949, Hrsg. Karl Walker, PDF [1,2 MB] von Florian Seiffert [Urgroßneffe von Silvio Gesell], S 10
... vgl. in diesem Zusammenhang auch die Grundlagen der Freiwirtschaft

Daraus abgeleitet werden wir die künftig erfolgreiche und gerechter verteilende Form des Tauschens vermutlich als ganzheitlich operierende, metainstitutionalisierte Solidarökonomie bezeichnen können.
Anmerkung: Die "metainstitutionalisierte" Organisationsform ermöglicht die Nutzung der Vorteile großer Einheiten, ohne dabei die Schatten der Größe zu inkludieren. E. F. Schumacher hat diesen Aspekt in seinem Buch "Small is Beautiful" (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, April 1985, S 219) so beschrieben:

"Je größer eine Organisation ist, desto offenbarer und unvermeidlicher ist die Notwendigkeit von Ordnung. Wenn man aber diese mit solcher Perfektion und Tüchtigkeit betreibt, daß für die Ausübung des schöpferischen Einfühlungsvermögens eines Menschen, also für unternehmerische Unordnung, kein Raum mehr bleibt, ist die Organisation dem Untergang geweiht und wird zu einer Wüste voller Enttäuschungen."

Da sich die Bedingungen für das erfolgreiche Wachstum des Unternehmensverbundes MCC nicht wiederholen lassen ist es erforderlich, die Vorteile der Größe spezifisch zu erarbeiten und bereit zu stellen.

Ergänzung: Zu Stiftungen als Alternative zu Aktiengesellschaften siehe Hans-Christoph Binswanger im WOZ-Interview "Die Krisenspirale" mit Marcel Hänggi.

 Der Gedanke ist, vom Recht und von der Politik her die Bedingungen zu verwirklichen, unter denen eine Wettbewerbsordnung zustandekommen kann, deren Preissystem die Wirtschaftsabläufe sinnvoll steuert. Wenn man eine nicht von Menschen, sondern von Marktpreisen gesteuerte Wirtschaft haben will, dann muß man jede Art von Machtbildung mit allen geeigneten Mitteln zu verhindern suchen, denn ein solches System kann nur funktionieren, wenn alle machtlos sind.
Franz Böhm in seinem Aufsatz "Kartellauflösung und Konzernentflechtung. Spezialistenaufgabe oder Schicksalsfrage?" (1947), wiedergegeben in: Entmachtung durch Wettbewerb, hrsg. von Traugott Roser und Walter Oswalt, Berlin: LIT Verlag, 2007, S 82
Weitere Gedanken dazu von Franz Böhm ...