Ausschnitt eines Artikels von Doris Esser
in den Salzburger Nachrichten vom 7. 12. 2001

anlässlich des Tages der Menschenrechte am 10. Dez.




Magistrat Graz

(Miss-)Erfolgsfaktor Geld?

Aggressionsabbau institutionalisieren

Hier arbeitet ein Mensch

systemisches Denken

8 Schikane-
Varianten

Mobbing in Schulklassen

filmtipps

Präsentation

Beschäftigungs-
Experiment 

coole Schule

WHO-Studie

Mobbing im Wiener AKH

In den Büros regiert die Angst

Mobbing im
großen Stil

Mobbing und Gesundheit

 

Hier arbeitet ein Mensch

... Nachdem Adi, ein Vertreter der Lehrlinge, davon berichtet hatte, dass die Jugendarbeitslosigkeit weiter im Steigen begriffen sei, Jugendliche auf zahlreichen Lehrplätzen immer wieder schlecht behandelt würden und dass sich zwei Kollegen, darunter ein sehr guter Freund, aus Verzweiflung das Leben genommen hatten, fielen auch den Mittelschülern traurige Beispiele von befreundeten oder verwandten Jugendlichen ein. "Es geht vielen Lehrlingen dreckig", fasste Betriebsseelsorger Franz Borstner von der Abteilung Kirche und Arbeitswelt der Katholischen Aktion Salzburg die Situation junger Menschen zusammen. Viele seien auf ihrem Arbeitsplatz Mobbing-Opfer, wobei das Wort Mobbing im Vergleich zur Realität in unseren Ohren geradezu harmlos klinge. Oft unter Ausschluss der Öffentlichkeit würden Lehrlinge unterdrückt, würden ihre Rechte und ihre Würde mit Füßen getreten.

 

 

Das hierarchische System sieht vor, dass der Meister auf den Gesellen Druck ausübt und der Geselle diesen Druck auf den Lehrling weitergibt. Wo aber soll der Lehrling diese Druckwellen abbauen? Vor allem dann, wenn der Jugendliche aus einer Familie stammt, die finanzielle Probleme hat, oder das Kind eines sehr belasteten alleinerziehenden Elternteiles ist, wird er versuchen, allein mit seinen Problemen fertig zu werden. Aber mit niemandem darüber reden zu können, macht die Situation immer schlimmer und fügt schwere seelische Verletzungen zu. Was fehlt, ist ein Ausweg: denn gerade aus Geld-Gründen sind viele Lehrlinge gezwungen, sich an ihren Arbeitsplatz zu klammern, auch wenn sie alles andere als motivierend behandelt werden. Oft kämpft die berufstätige Mutter an ihrem Arbeitsplatz ebenfalls mit einem ungerechten Druck, wobei nach Berichten von Franz Borstner vor allem Reinigungspersonal aggressiv und beleidigend "buchstäblich wie ein Putzfetzen" behandelt wird. Auch diese Frauen haben wie so viele Lehrlinge Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, und sind dadurch der Situation ausgeliefert, sich weiterhin unter Druck setzen zu lassen.

Um jenen Lehrlingsalltag, der von erschreckend negativen Erlebnissen geprägt ist, zum Besseren zu verändern, hat Franz Borstner Lehrlingen nicht nur ein Gesprächsforum angeboten, sondern im Sinne von Menschenwürde auch einen Aufkleber mit den Worten "Hier arbeitet ein Mensch" drucken lassen. Diese vier Worte, die auf eine Wand, auf eine Schranktüre oder auf einen Werkzeugkasten geklebt werden, haben in den zwei Jahren, seit sie in Betrieben eingesetzt werden, Erstaunliches bewirkt.

Einerseits haben sie das Selbstwertgefühl der betroffenen Lehrlinge gestärkt, zum anderen waren sie in vielen Fällen der erste Schritt, beleidigenden oder unterdrückenden Umgang mit jungen Menschen abzuschaffen. Ein Betriebschef hat sogar spontan auf das "Menschenrechts-Pickerl" reagiert. Unter dem Aspekt, dass eigentlich (fast) jeder Mensch ein Mensch sein will, war der erste Tag des Aufklebers der erste Tag, an dem der Vorgesetzte nicht durch die Werkstatt gebrüllt hat. Das Symbol des Protestes führte so weit, dass der selbe Mann am Abend nach der Arbeit seine Beschäftigten sogar auf ein Glas Bier eingeladen hat.